Zu Fabian und Sebastian fängt der rechte Winter an…
Der 20. Jänner zählt zu den traditionellen „Lostagen“ in jedem Winter – meistens kündigt er die kältesten Wochen im Jahr an. Er ist der traditionelle Festtag des hl. Sebastian, der vor allem als Fürsprecher gegen die Pest verehrt wurde.
Oft ist es leider allzu wahr: Wer sich schon zu Weihnachten über frühlingslaue Lüfterl gefreut hat, erlebt mit den letzten Jännertagen eiskalte Überraschungen. Der traditionelle Kalender, der sich weniger an Daten, sondern an den jeweiligen Kalenderheiligen orientierte, sah im 20. Jänner einen jener „Lostage“, die den Beginn der kältesten Periode markierte. Von den beiden Tagesheiligen, dem hl. Papst und Märtyrer Fabian und dem hl. Märtyrer Sebastian, erfreute sich besonders letzterer in Zeiten von Epidemien großer Verehrung: Die Pfeile, mit denen Sebastian getötet werden sollte (tatsächlich überlebte er und wurde erst später wegen seines christlichen Glaubens erschlagen) wurden als Symbole heimtückischer Krankheiten verstanden. Neben Rochus, Rosalia und Karl Borromäus wurde Sebastian deshalb vor allem in der Barockzeit als Pestpatron angerufen.
Wallfahrten zur Winterszeit
Trotz der unfreundlichen Temperaturen wurden Wallfahrten und Bittgottesdienste zu Ehren des hl. Sebastian auch im Waldviertel abgehalten. Seit einem Ausbruch der Pest im Jahre 1634 pilgerten die Zwettler nach Siebenlinden, wo eine Kapelle des Heiligen stand (seit 1784: Pfarrkirche). Dieser Brauch lässt sich auch in den Schreibkalendern des Abtes Melchior von Zaunagg in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gut nachvollziehen: Mit dem 19. Jänner reiste man nach Schweiggers, um am nächsten Tag in Siebenlinden die Messe zu lesen, die oft „mit einer großen Schar des gläubigen Volkes“ abgehalten wurde. Der Prälat selbst scheint nicht immer helle Begeisterung für die winterlichen Ausfahrten gehegt zu haben. Wenn er zum 20. Jänner nicht durch seine politischen Aufgaben in Wien festgehalten war, boten schlechtes Wetter und verschneite Straßen durchaus den ausreichenden Grund, den Feierlichkeiten mitunter fernzubleiben…
Ein vergessenes Sebastiansheiligtum
Neben den drei Beichtvätern, die alljährlich nach Siebenlinden entsandt wurden, schickte Abt Melchior auch zwei seiner Mitbrüder ins Schloss Waldreichs, das ebenfalls den Festtag der heiligen Sebastian und Fabian feierlich beging. Tatsächlich war auf dem nicht erhaltenen Hochaltar neben anderen Pestpatronen auch der hl. Sebastian als Stuckplastik dargestellt, ein an einen Baum gebundener, halbnackter Jüngling. Der heute nur in Resten erhaltene, um 1730 entstandene Altar stellt möglicherweise – neben dem Niederaltaicher Hof in Spitz – das früheste Werk des Stukkateurs Johann Michael Flor (1708 — 1775) dar, der in den Jahren 1757 bis 1763 Bürger der Stadt Zwettl war.
Ein vergessenes Meisterwerk
Im Sommer 1733 brachte der „Nürnberger Bote“ besondere postalische Fracht nach Zwettl: Ein neues Altarbild des Augsburger Malers und Akademiedirektors Johann Georg Bergmüller (1688 — 1762). Ein Meisterwerk! Dramatisch leuchtet der Körper des Heiligen aus der Dunkelheit auf, während sich rechts die Soldaten beraten. Man staunt, dass der an sich recht trockene Bergmüller ein derart packendes, farbglühendes Gemälde geschaffen haben soll. Und wirklich geht die Forschung heute davon aus, dass das Zwettler Bild wesentlich von Bergmüllers vielversprechendem Gehilfen gestaltet wurde: Johann Evangelist Holzer, der, wäre er nicht 1740 mit nur 30 Jahren verstorben, wohl der wichtigste deutsche Maler seiner Zeit geworden wäre.
Text: Dr. Andreas Gamerith
Foto: Markus Enzinger, Graz
Bis 1882 zierte das 1733 vom Augsburger Maler Johann Georg Bergmüller gefertigte Altarbild des hl. Sebastian eine Seitenkapelle der Zwettler Stiftskirche. Heute ist es im Schloss Gobelsburg zu bewundern. An Stelle des abgebrochenen Sebastiansaltars wurde in Zwettl der aus dem Jahr 1500 stammende Bernardialtar mit Altarflügeln von Jörg Breu (darunter die berühmte „Kornernte“) aufgestellt