Bla­si­us und der Wolf

Der 3. Fe­bru­ar ist tra­di­tio­nel­ler Wei­se der Fest­tag des hl. Blas­isus. Sei­ne Dar­stel­lun­gen im Stift Zwettl sind mehr als nur ei­nen kur­zen Blick wert: Denn even­tu­ell fin­det sich auch die äl­tes­te Dar­stel­lung ei­nes Wald­viert­ler Wol­fes im Ge­fol­ge des hei­li­gen Mannes.

Ein Mensch frü­he­rer Zei­ten hät­te in je­nen Nö­ten, die der­zeit vie­le pla­gen, wohl eine ein­deu­ti­ge Hil­fe pa­rat ge­habt: den hl. Bla­si­us. Als Pa­tron ge­gen al­les, was dem Hals an Be­schwer­den wi­der­fah­ren kann – vom simp­len Hals­weh bis zum dro­hen­den Er­sti­ckungs­tod –, wur­de der Hei­li­ge, der zu Be­ginn des 4. Jahr­hun­derts als Mär­ty­rer ge­stor­ben sein soll, als Für­spre­cher an­ge­ru­fen. Seit dem spä­ten Mit­tel­al­ter wird Bla­si­us zu den vier­zehn Not­hel­fern ge­rech­net, die in un­ter­schied­lichs­ten Not­la­gen „ein gu­tes Wort bei Gott“ ein­le­gen sollen.

Eine alte Ge­schich­te vom bö­sen Wolf

Die viel­leicht frü­hes­te Dar­stel­lung des hl. Bla­si­us in Stift Zwettl ist an die 800 Jah­re alt und fin­det sich in ei­ner Samm­lung von Hei­li­gen­le­gen­den. Sie ge­hört zu ei­ner Hand­schrif­ten­grup­pe, die den Na­men „Ma­gnum Le­gen­da­ri­um Aus­tria­cum“ („Gro­ße ös­ter­rei­chi­sche Le­gen­den­samm­lung“) er­hal­ten hat. In den über 500 Hei­li­gen­le­gen­den fin­det sich auch die mit vie­len mär­chen­haf­ten Mo­ti­ven aus­ge­stat­te­te Er­zäh­lung zum Le­ben des hl. Bla­si­us. Die Schmuck­initia­le, die den An­fang sei­nes Hei­li­gen­le­bens mar­kiert, greift eine der Le­gen­den auf: Aus Dank­bar­keit bringt eine Frau, der einst auf das Ge­bet des Hei­li­gen hin ein ge­raub­tes Schwein zu­rück­ge­bracht wor­den war, dem ein­ge­ker­ker­ten Bi­schof ei­nen – freund­lich lä­cheln­den – Schweins­kopf zur La­bung. Im Buch­sta­ben T (im Wort „Tem­po­ri­bus“ — „Zu Zei­ten“) sieht man die Frau mit der Scha­le, wäh­rend Bla­si­us seg­nend sei­ne Hand durch die Git­ter­stä­be des Ge­fäng­nis­ses streckt. Auch der eins­ti­ge Räu­ber des Schweins ist dar­ge­stellt – ein zot­te­li­ger Wolf. Und wer weiß? Da als Ent­ste­hungs­ort der Hand­schrift Zwettl selbst an­ge­nom­men wird, han­delt es sich bei die­sem Bild aus der Zeit um 1200 ja viel­leicht um die äl­tes­te Dar­stel­lung ei­nes Wol­fes im Waldviertel.

St. Bla­si­us in der Stiftskirche

Als Bi­schof mit ei­ner Ker­ze fin­det sich der hei­li­ge Bla­si­us auch am Al­tar des hl. Jo­han­nes von Ne­po­muk der Zwett­ler Stifts­kir­che. Un­ter Abt Mel­chi­or von Zaun­agg wur­de das frü­he­re Pa­tro­zi­ni­um die­ser Sei­ten­ka­pel­le ge­än­dert – war zu­vor der Evan­ge­list Jo­han­nes dort ver­ehrt wor­den, wan­del­te sich die Ka­pel­le nun zu ei­nem Al­tar für hei­li­ge Mär­ty­rer wie den hl. Jo­han­nes von Ne­po­muk oder den in Sto­cker­au zu Tode ge­kom­me­nen hl. Ko­lo­man. Die Bi­schö­fe Eras­mus und Bla­si­us flan­kie­ren als fast le­bens­gro­ße Sta­tu­en das Al­tar­ge­mäl­de. Die bei­den bunt­ge­fass­ten Skulp­tu­ren sind Wer­ke des vor ge­nau 250 Jah­ren ver­stor­be­nen Ti­ro­ler Bild­hau­ers Ja­kob Chris­toph Schlet­te­rer (1699 – 1774). Die Form ih­rer Prä­sen­ta­ti­on – sie schei­nen bei­na­he zap­pelnd auf den Vo­lu­ten des Al­tars Platz ge­nom­men zu ha­ben – ist aus­ge­spro­chen un­ge­wöhn­lich. Dem Bild­hau­er ge­lingt da­mit eine sym­pa­thi­sche, be­son­ders le­bens­na­he In­sze­nie­rung der Hei­li­gen. Denn sie sit­zen nicht auf fer­nen Wol­ken und be­woh­nen kei­nen un­er­reich­ba­ren Him­mel. Viel­mehr scheint „das Hei­li­ge“ in un­se­rer Le­bens­welt zum Grei­fen nahe.

Fal­scher Patron

Als Abt Ste­phan Röss­ler in den Jah­ren 1882 bis 1885 neue Glas­ma­le­rei­en für die Zwett­ler Stifts­kir­che her­stel­len ließ, ver­such­te man, an die al­ten Pa­tro­zi­ni­en der Sei­ten­ka­pel­len durch die Dar­stel­lun­gen in den Fens­tern zu er­in­nern. Doch Vor­sicht! Bei der ehe­ma­li­gen Mar­tins­ka­pel­le (in der 1892 ein neu­go­ti­scher Jo­seph­sal­tar auf­ge­stellt wur­de) ist der Bi­schof in der Mit­te nicht als hl. Mar­tin, son­dern als hl. Bla­si­us zu iden­ti­fi­zie­ren. Die ge­dop­pel­ten Ker­zen, die an den tra­di­tio­nel­len Bla­si­us­segen er­in­nern, ma­chen das eben­so deut­lich wie die um­ge­ben­den Hei­li­gen (Acha­ti­us, Eu­sta­chi­us, Chris­to­pho­rus, Cy­ria­kus etc.), die al­le­samt aus der Rei­he der tra­di­tio­nel­len Not­hel­fern stam­men. War­um beim 1883 von P. An­ton Holl ge­stif­te­ten Fens­ter die­se Aus­wahl ge­trof­fen wur­de, ist nicht bekannt.

Ab­bil­dung oben: In ei­ner In­itia­le zur Bla­si­us-Le­gen­de bringt eine dank­ba­re Frau dem Hei­li­gen im Ge­fäng­nis ei­nen Schweins­kopf (Stifts­bi­blio­thek Zwettl, um 1200). Auch der Wolf, der das Schwein ge­stoh­len hat­te ist dar­ge­stellt – mög­li­cher­wei­se die äl­tes­te Dar­stel­lung ei­nes Wol­fes im Waldviertel.

Text: Dr. An­dre­as Gamerith

Foto un­ten: Der Ti­ro­ler Bild­hau­er Ja­kob Schlet­te­rer setz­te am Ne­po­muk-Al­tar der Stifts­kir­che den hl. Bla­si­us im Jahr 1736 le­bens­nah in Sze­ne. Foto Stift Zwettl