Ha­gio­the­ra­pie im Her­zen des Waldviertels

Von 22. – 24.8.2022 fand im Bil­dungs­haus des Stif­tes Zwettl ein Se­mi­nar über Evan­ge­li­sa­ti­on als Hin­füh­rung zur Ha­gio­the­ra­pie statt. An die 40 Teil­neh­mer aus al­len Tei­len Ös­ter­reichs und Deutsch­lands nah­men dar­an teil.

Die Ha­gio­the­ra­pie ist eine Hei­lungs­me­tho­de des hei­ligs­ten Be­rei­ches im Men­schen, näm­lich sei­ner Seele.

Der Mensch be­steht aus Kör­per und Geist so­wie ei­ner un­sterb­li­chen See­le. Und so wie der Kör­per er­krankt oder ver­wun­det sein kann und der Mensch dann ei­nen Arzt braucht oder der Geist, die Psy­che, ver­letzt, miss­braucht oder ge­stört sein kann und der Mensch die Hil­fe ei­nes Psy­cho­the­ra­peu­ten oder Psych­ia­ters be­nö­tigt, so kann auch die See­le tat­säch­lich an tie­fen Ver­let­zun­gen oder erns­ten Ver­wun­dun­gen lei­den, die ei­ner Hei­lung bedürfen.

Als Ka­tho­li­ken ist es für uns selbst­ver­ständ­lich, mit un­se­ren see­li­schen Nö­ten den Pries­ter für die Beich­te auf­zu­su­chen. Und das hei­li­ge und hei­len­de Sa­kra­ment der Beich­te ist und bleibt ein we­sent­li­cher Glau­bens­voll­zug der Ver­söh­nung und Aus­söh­nung in der Kirche.

Die Ha­gio­the­ra­pie ist eine er­gän­zen­de Me­tho­de in der Seel­sor­ge, die gleich­zei­tig den Men­schen in sei­ner Ganz­heit wahr­nimmt, also alle Ver­wun­dun­gen von Kör­per, Geist und See­le wahr­zu­neh­men und gleich­zei­tig zu un­ter­schei­den ver­sucht. In der Ha­gio­the­ra­pie liegt der Fo­kus na­tür­lich auf der Hei­lung der see­li­schen Ver­wun­dun­gen, gleich­zei­tig wird aber auf er­kann­te oder ver­mu­te­te kör­per­li­che oder geis­ti­ge Ver­wun­dun­gen Rück­sicht ge­nom­men und die Un­ter­stüt­zung von Ärz­ten oder Psy­cho­lo­gen ge­sucht. Es ent­steht ein Netz­werk der Hil­fe und Hei­lung, in dem der su­chen­de Mensch auf­ge­fan­gen und ge­heilt wer­den kann.

Die Ha­gio­the­ra­pie ist ein kost­ba­rer Schatz, den einst To­mis­lav Ivančić, Pries­ter und Theo­lo­ge so­wie Hoch­schul­pro­fes­sor der Ka­tho­li­schen Fa­kul­tät Za­greb, er­kannt und ent­wi­ckelt hat. Hin­ter­grund sei­ner Ar­beit wa­ren auch die Gräu­el der Krie­ge in Ju­go­sla­wi­en in den 1990er Jah­ren. Ivančić hat er­kannt, dass die Men­schen – auch nach Ver­sor­gung und Hei­lung ih­rer kör­per­li­chen Kriegs­wun­den und nach vie­len Psy­cho­the­ra­pien zur Be­wäl­ti­gung er­leb­ter Gräu­el­ta­ten – wei­ter furcht­bar lit­ten: näm­lich in ih­rer See­le. Aus der Ex­trem­si­tua­ti­on ei­nes Krie­ges ent­wi­ckelt, an den auch die meis­ten von uns Ös­ter­rei­chern als „Nach­barn“ sich er­in­nern kön­nen, ist die Ha­gio­the­ra­pie heu­te für die Hei­lung al­ler see­li­schen Ver­wun­dun­gen wei­ter­ent­wi­ckelt, sei­en sie nun durch ver­gleich­ba­re Ex­trem­si­tua­tio­nen oder durch an­de­re Er­leb­nis­se ver­ur­sacht wie z.B. durch Miss­hand­lun­gen in der Ehe oder Fa­mi­lie oder Mob­bing in der Kind­heit in der Schu­le oder als Er­wach­se­ner am Ar­beits­platz. Und nun hat die­se Kost­bar­keit, die auch kirch­lich of­fi­zi­ell an­er­kannt ist, im Wald­vier­tel Fuß gefasst.

Die vom mitt­ler­wei­le ver­stor­be­nen To­mis­lav Ivančić ge­grün­de­te Ge­mein­schaft „Ge­bet und Wort“ ist der Trä­ger des dop­pel­ten Apos­to­lats der Evan­ge­li­sa­ti­on und Ha­gio­the­ra­pie. So konn­te in die­sen Ta­gen das fa­mi­liä­re Ge­fü­ge die­ser in­ter­na­tio­na­len Ge­mein­schaft von al­len Teil­neh­mern am Se­mi­nar im Stift Zwettl, egal ob zum ers­ten oder zum zwan­zigs­ten Mal, herz­er­fri­schend er­lebt wer­den. Das hoch­ka­rä­ti­ge Re­fe­ren­ten­team un­ter der Lei­tung des Re­li­gi­ons­päd­ago­gen Ivica Lu­lić, der To­mis­lav Ivančić in der Lei­tung der Ge­mein­schaft nach­ge­folgt ist, reis­te aus Kroa­ti­en an, um ei­nen ent­spre­chen­den Aus­bil­dungs­start hier im Hau­se zu ermöglichen.

Im ehr­wür­di­gen Am­bi­en­te des 900 Jah­re al­ten Zis­ter­zi­en­ser-Klos­ters wa­ren die 3‑tägigen Ex­er­zi­ti­en ein wahr­lich geis­ti­ger Hoch­ge­nuss. Die schlicht und wür­de­voll ge­stal­te­ten Got­tes­diens­te mit den Mön­chen des Klos­ters und den Gast­pries­tern wa­ren der Hö­he­punkt des Se­mi­nars und brach­ten see­li­sche Stär­kung. Buß­sa­kra­ment und Be­frei­ungs­ge­be­te ver­voll­stän­dig­ten das Programm.

Das mit Pro­fes­sor Ivica Lu­lić ge­führ­te In­ter­view über die Ha­gio­the­ra­pie soll in den nächs­ten Wo­chen über christ­li­che Me­di­en­part­ner aus­ge­strahlt werden.

Pro­fes­sor Ivica Lu­lić