Die ur­alte Fra­ge nach dem Wetter

Wolf­gang Zarl aus Nie­der­ös­ter­reich | Kir­che bunt

Im Zis­ter­zi­en­ser­stift Zwettl be­fin­det sich eine der äl­tes­ten Wet­ter­mess­sta­tio­nen Ös­ter­reichs. Dort wur­de am 11. Fe­bru­ar 1929 die ös­ter­reich­weit tiefs­te, je in ei­ner be­wohn­ten Re­gi­on ge­mes­se­ne Tem­pe­ra­tur auf­ge­zeich­net: Mi­nus 36,6 Grad.

Im Jahr 1744 konn­ten die Hand­wer­ker, die das Hei­li­ge Grab von Stift Zwettl aus­ge­malt hat­ten, zu­nächst nicht in ihre Hei­mat zu­rück­keh­ren, da die Do­nau Hoch­was­ser führ­te. Das be­rich­tet die Chro­nik des Zis­ter­zi­en­ser­stif­tes. Seit dem 12. Jahr­hun­dert be­fas­sen sich die Or­dens­leu­te mit den Wet­ter­phä­no­me­nen, seit ei­ni­gen Jah­ren wer­den die Da­ten von der Mess­sta­ti­on au­to­ma­tisch zur Zen­tral­an­stalt für Me­teo­ro­lo­gie und Geo­dy­na­mik (ZAMG) nach Wien über­mit­telt. Frü­her wa­ren die Auf­zeich­nun­gen noch „eher un­ge­nau“, man ver­zeich­ne­te, dass es kalt oder heiß war, be­rich­tet Stifts­ar­chi­var und His­to­ri­ker An­dre­as Ga­me­rith. Im Mai 1451 wird z. B. von ei­nem „star­ken Ha­gel“ berichtet. 

Stifts­ar­chi­var An­dre­as Ga­me­rith und Abt Jo­han­nes Ma­ria Szy­pul­ski vor der Mess­sta­ti­on im Kon­vent­gar­ten von Stift Zwettl. Foto: Wolf­gang Zarl

„Wet­ter­be­ob­ach­tun­gen ge­hö­ren seit je­her zu den In­ter­es­sens­ge­bie­ten der Mön­che. Vor al­lem Ex­tre­me wur­den in Chro­ni­ken, in di­ver­sen Ta­ge­bü­chern der Äbte oder von Pa­tres ver­merkt. Und das, be­vor es re­gel­mä­ßi­ge Auf­zeich­nun­gen gab“, wie Ga­me­rith er­läu­tert. Als im Jah­re 2002 das Hoch­was­ser wei­te Tei­le des Wald­vier­tels heim­such­te, sei die Fra­ge auf­ge­taucht, wann zum letz­ten Mal in der Ver­gan­gen­heit solch eine Ka­ta­stro­phe zu be­wäl­ti­gen war. In der Hand­schrift 84 der Stifts­bi­blio­thek fin­det Ga­me­rith Hin­wei­se dar­auf: 1744. Im Schreib­ka­len­der des Ab­tes Mel­chi­or von Zaun­agg wird auch ein Eis­stoß be­schrie­ben, der im März 1744 gro­ße Schä­den im Mei­er­hof an­rich­te­te, so­dass man sich ge­zwun­gen sah, den Vieh­be­stand zu evakuieren.

Ein­dring­lich be­rich­tet der spä­te­re Abt Ju­li­us Hör­weg (1784–1847) aus dem Jahr 1816 vom „Jahr ohne Som­mer“. Das Jahr war un­frucht­bar und im Som­mer reg­ne­te es an­dau­ernd und es war kalt, so­dass es in Tei­len Eu­ro­pas zu ei­ner Hun­ger­not kam. Als Haupt­ur­sa­che wird heu­te der Aus­bruch des in­do­ne­si­schen Vul­kans Tam­bo­ra im April 1815 angesehen.

Die Mön­che des Stifts Zwettl im 19. Jahr­hun­dert wa­ren sehr in­ter­es­siert am wis­sen­schaft­li­chen For­schen, wie Ga­me­rith be­rich­tet: Das reicht vom Wet­ter über Baum­ver­ede­lun­gen bis hin zu Gesteinssammlungen.
Es gibt Auf­zeich­nun­gen seit dem 12. Jahr­hun­dert, die zei­gen, dass man sich schon vie­le Jahr­hun­der­te in Zwettl mit dem Wet­ter be­fass­te. Sys­te­ma­ti­sche und stan­dar­di­sier­te Kli­ma­be­ob­ach­tun­gen und ‑mes­sun­gen gibt es ab Ende des 19. Jahr­hun­derts. Das Ar­chiv­in­ven­tar führt dazu Ta­bel­len und Auf­zeich­nun­gen an. Im Lau­fe der Jah­re wur­den die Me­tho­den der Be­ob­ach­tun­gen im­mer fei­ner. Die­se wur­den auf­grund von In­ter­es­se ge­macht, an eine Sys­te­ma­ti­sie­rung, um etwa die Land­wirt­schaft zu un­ter­stüt­zen, habe man da­mals noch nicht gedacht.

Alt und kalt

Seit 1883 sind der ZAMG die Tem­pe­ra­tur­auf­zeich­nun­gen in Zwettl be­kannt, ab den 1930er-Jah­ren wur­den an­de­re Wer­te wie etwa Nie­der­schlä­ge no­tiert; man­che In­form­tio­nen wur­den wäh­rend des Zwei­ten Welt­krie­ges zer­stört. Zwettl gilt als eine der äl­tes­ten der 280 ös­ter­reich­wei­ten Mess­sta­tio­nen. Die äl­tes­te ist eben­falls in ei­nem Stift, näm­lich in Krems­müns­ter. Das Stift Zwettl kann mit ei­nem Re­kord auf­war­ten: Am 11. Fe­bru­ar 1929 wur­de im Kon­vent­gar­ten die tiefs­te, je in ei­ner ös­ter­rei­chi­schen be­wohn­ten Re­gi­on ge­mes­se­ne Tem­pe­ra­tur auf­ge­zeich­net: Mi­nus 36,6 Grad! Die Grün­de für die kal­ten Wer­te: ers­tens die all­ge­mei­ne Wet­ter­la­ge im Wald­vier­tel und zwei­tens die Lage der Wet­ter­sta­ti­on in ei­ner Mul­de, die noch dazu von der Klos­ter­mau­er um­ge­ben ist.
Ös­ter­reich­weit wur­de bis­lang nur am Sonn­blick mit ‑37,4 Grad ein käl­te­rer Wert ge­mes­sen, aber die Mess­sta­ti­on liegt auf 3.106 Me­ter Seehöhe. 

Dass sie in ei­nem Käl­te­pol le­ben, dürf­ten auch die Mön­che im 18. Jahr­hun­dert ge­wusst ha­ben: Erst kürz­lich wur­de die ba­ro­cke Fuß­bo­den­hei­zung des Re­fek­to­ri­ums ent­deckt. Sie be­heiz­ten den Fuß­bo­den des Spei­se­saals über eine so­ge­nann­te Warm­luft­hei­zung im Stock darunter.

Die Wet­ter­sta­ti­on von Stift Zwettl ist Teil des Mess­netz­wer­kes ZAMG. Bis 1994 la­sen die Zis­ter­zi­en­ser drei Mal täg­lich die Wer­te ab und ga­ben die­se te­le­fo­nisch nach Wien durch. Seit 1994 läuft dies au­to­ma­tisch, alle zehn Mi­nu­ten we­den die Da­ten zur ZAMG-Zen­tra­le auf die Hohe War­te ge­schickt: Tem­pe­ra­tu­ren, Luft­feuch­te, Son­nen­schein­dau­er, Glo­bal­strah­lung und Wind­ge­schwin­dig­keit. 2007 wur­de die Zwett­ler Sta­ti­on auf den neu­es­ten Stand ge­bracht. Hoch­en­sen­si­ble au­to­ma­ti­sche Mess­ge­rä­te lie­fern heu­te die Da­ten an die Wet­ter­zen­tral­an­stalt. Den­noch blei­ben für ei­nen Wet­ter­be­ob­ach­ter vor Ort noch ei­ni­ge Phä­no­me­ne mit dem Auge zu eru­ie­ren: die Be­wöl­kung und ihre Dich­te, die Sicht­wei­te, Ge­wit­ter­tä­tig­keit oder op­ti­sche Wet­ter­phä­no­me­ne. Die­se wer­den mo­nat­lich mit­tels For­mu­lar an die Kli­ma­ab­tei­lung gemeldet.

Die Mess­sta­ti­on steht im Kon­vent­gar­ten, Wind­mast und Son­nen­mess­ge­rä­te be­fin­den sich auf dem Klos­ter­dach. An die An­brin­gung des Wind­mas­tes kann sich ZAMG-Wet­ter­ex­per­te Ro­land Potz­mann noch gut er­in­nern: Gleich fünf LKWs so­wie zwei Krä­ne wa­ren not­wen­dig, um die­sen an­zu­brin­gen. Was eine lan­ge Tra­di­ti­on hat und viel Auf­wand be­deu­te­te, kann heu­te von je­dem In­ter­es­sier­ten leicht im In­ter­net ab­ge­le­sen wer­den: das Wet­ter in Zwettl. W. Zarl